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Der Weg


Ab und zu kommt es vor, dass ich mich mit anderen über die unterschiedlichen Ansichten zum Thema Glauben unterhalte und oft stoße ich auf eine Meinung über die ich mir irgendwann mal etwas mehr Gedanken gemacht habe und versuchte herauszufinden was die Bibel dazu sagt.

Diese Meinung könnte man als Individualismus bezeichnen und die manifestiert sich in der Aussage, jeder könne seinen Glauben so leben, wie er selbst davon überzeugt ist. Und das klingt doch gar nicht verkehrt, das klingt doch toll, wenn jeder so glauben kann wie er es möchte. Und prinzipiell halte ich nichts davon, wenn jemand das Gegenteil praktiziert und anderen vorschreiben will, was diese zu glauben haben.


Der Widerspruch

Je mehr ich aber darüber nachdachte ergab sich für mich daraus ein Widerspruch. Denn wenn ich mir das dann ganz praktisch vorstellte gibt es in dieser gedachten Welt jede Menge Glaubensrichtungen, die wie auf dem Basar um die Gunst der Vorbeieilenden werben. Mehr noch, all die Gemeinschaften suchen ständig nach dem “richtigen” Weg, sie streiten viel und sind sich uneins darüber, was denn die richtige Glaubensrichtung wäre.

Die Frage die sich mir nun aufdrängt ist doch die: “Folgen diese Gemeinden noch ihrem Auftrag, oder kümmern sie sich nur noch um sich selbst?”

Die vielen Unterschiede die wir von anderen Gemeinden kennen sind geprägt von den individuellen Merkmalen der Personen, der Geschichte der Gemeinde und auch der Traditionen der Region, in der diese Gemeinde gestellt ist. Und selbst unter den Baptisten sind die Unterschiede der Ortsgemeinden gut erkennbar. Es ist also klar, dass sich Unterschiede ergeben und diese nach außen vielleicht sogar als Individuell wahrgenommen werden.

Andererseits kann ich mir eine lebendige Gemeinde Gottes in der alle gleich Denken, gleich reagieren, auch nicht vorstellen.


Die Erkenntnis

Was ist also der richtige Weg, welche ist die richtige Gemeinde für mich? Welche Geschwister passen am besten zu mir?

Als Jesus begann Gemeinde zu gründen, also seine Jünger um sich scharte ging er ja eher unkonventionell vor. Mitunter holte er die Männer regelrecht ab, riss sie aus ihrem bis dahin gekannten Leben. Vier der Jünger waren Fischer (Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes), andere waren Zimmermann (verm. Thomas), Zolleintreiber (Matthäus) oder Zeltmacher (Paulus), und mit einem: “komm folge mir nach” z.B. berief Jesus Petrus der fortan bei ihm war (Mt. 4, 19).

«Jesus sagte zu ihnen: »Kommt, folgt mir! Ich mache euch zu Menschenfischern.»

Die Aufgaben der Jünger beschreibt Jesus in Matth. 5, 13-16:

«Ihr seid das Salz für die Welt. Wenn aber das Salz seine Kraft verliert, wodurch kann es sie wiederbekommen?

Es ist zu nichts mehr zu gebrauchen. Es wird weggeworfen und die Menschen zertreten es.

Ihr seid das Licht für die Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.

Auch zündet niemand eine Lampe an, um sie dann unter einen Topf zu stellen.

Im Gegenteil, man stellt sie auf den Lampenständer, damit sie allen im Haus Licht gibt.

Genauso muss auch euer Licht vor den Menschen leuchten:

Sie sollen eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.»


War's das? Erkennt der Fremde die Gemeinde Jesu daran, dass sie Gutes tut und wie ein Leuchtfeuer in der Zeit Hoffnung und Orientierung für die Menschen ist?

// Menschen einer Diktatur

Als wir 89 begannen mehr gegen die Missstände in der DDR zu tun als nur darüber zu schimpfen, hatte ich persönlich meinen ersten christlichen Gottesdienst, mein erstes Gebet. Damals war es ein Friedensgebet und es gab mir tatsächlich Orientierung und die Menschen denen ich begegnete strahlten Ruhe und Frieden aus. Sie beschwichtigten und versuchten zu beruhigen. Eine Revolution stellt man sich anders vor, oder?

Als Mensch, der in einer Diktatur aufgewachsen ist, kann man eine andere Sicht haben. Ich sage bewußt kann man, denn leider vergessen viele, wie es war, im real existierenden Sozialismus. Oder sie haben nie wirklich darüber nachgedacht und versuchen nur in jedem System das “Optimum” für sich heraus zu holen.

Heute leben wir nicht mehr in einer Diktatur, zumindest in keiner Gesellschaft die durch eine restriktive Regierung gekennzeichnet wäre. Es gibt andere, wenn auch nicht so offensichtliche Zwänge, denen die Menschen heute unterworfen sind. Die gibt es seit je her.

Ich komme noch darauf zurück, aber welche Aufgabe erfüllen wir heute, sind wir für die Menschen ein Leuchtfeuer, das ihnen zur Orientierung genügt?


Oder sind wir wie die zweifelnden Jünger, die Gott nichts zutrauen?

«Matth. 17, 17: Da sagte Jesus: »Was seid ihr doch für eine verkehrte Generation, die Gott nichts zutraut! Wie lange soll ich noch bei euch aushalten und euch ertragen? Bringt den Jungen her!»

Hier ging es um einen bösen Geist den Jesus aus dem Jungen verbannte und an dem die Jünger gescheitert sind. 89 hätte ich auch keinem zugetraut, dass das gut ausgehen könnte, aber ich kannte Gott noch nicht. Es ist doch so, dass wir eine Generation sind, die es selbst erlebt hat, was möglich ist, wenn die Menschen Gott vertrauen und im Vertrauen aufeinander, friedlich die Veränderung suchen. Und es war auch eine Zeit in der ich das Gefühl hatte, dass die Vielen auf der Straße das Gleiche wollen, geeint durch ein gemeinsames Ziel. Die persönlichen Ideale standen zunächst im Hintergrund.

Wer aber zweifelt, die Gewalt sucht oder seinen Willen erzwingt, kann nicht gewinnen.

So wie es in Markus 11, 23 geschrieben steht:

«Ich versichere euch: Wenn jemand zu diesem Berg sagt: 'Auf, stürze dich ins Meer!', und hat keinerlei Zweifel, sondern vertraut fest darauf, dass es geschieht, dann geschieht es auch.»

genau so möchte ich Vertrauen, darauf dass wir schaffen was wir uns vornehmen. Ganz ohne Zweifel und mit genügend Freiraum für jeden Einzelnen.


// Menschen die gerade ihr Leben Jesus übergeben haben, brauchen Anleitung

Den größten Wirbel in Gemeinden wie unserer, verursachen Menschen die gerade zum Glauben gefunden haben. Sie sind so voller Tatendrang, wollen etwas bewegen, aber hinterfragen auch für uns selbstverständliche Dinge. Sie sind für uns “unreif”, deshalb müssen sie noch wachsen – im Glauben. Sie sprechen Themen an, die wir schon seit Jahren erfolgreich verdrängt hatten. Mit einem unerhörten Optimismus rütteln sie an unseren Festen, stellen unsere Traditionen in Frage. Kein Wunder, dass es dann zu Reibereien kommt, nicht jeder kann damit umgehen. Außerdem ist es viel einfacher sie, wie man es mit kleinen Kindern ja auch macht, hinter dem Argument: “du musst erst noch im Glauben wachsen” einzusperren. Und manchmal mag es sich so anfühlen, als müssten sie unter Schmerzen lernen, dass man besser nicht so viel fragt, schon gar nicht hinterfragt!

Das Bild mit den Kindern ist an dieser Stelle gar nicht so schlecht. Wir alle sind Kinder Gottes. Und jetzt kommt's und das ist doch schon verrückt ;O) Nun versuchen die Kinder aus der großen Gruppe, den Kindern aus der kleinen Gruppe die Welt zu erklären. Ist das nicht putzig?

Wahrscheinlich nur wenn man Gott ist und dem Treiben zuschaut LOL Ich denke mir manchmal, ER schmeißt sich über uns vor Lachen weg, weil wir allen Ernstes versuchen etwas zu verstehen, dass wir nicht verstehen können. Weil wir so fleißig am interpretieren und spekulieren sind, dass wir dabei übersehen, wie einfach es uns Gott gemacht hat.

Im Ernst. Keiner von uns muss Theologie studiert haben um Gutes zu tun. Keiner von uns muss die Bibel auswendig rezitieren können um seinem Nächsten die Hand zu reichen.


Bei aller Suche nach unserem individuellen Glauben dürfen wir nicht der Versuchung erliegen eine falsche Frömmigkeit zur Schau zu stellen und so unser Erbe zu verlieren. Matth. 6, 1

«Hütet euch, eure Frömmigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen! Denn dann habt ihr keinen Lohn mehr von eurem Vater im Himmel zu erwarten.»

Es macht doch keinen Sinn, dass wir es uns selbst und unseren Geschwistern schwerer machen als nötig.


Fazit

Ja natürlich könnte ich mir ein Regelwerk schaffen, das auch gut begründet ist und mir in jedem Bereich meines Lebens eine Vorschrift anbietet, um auch die klitzekleinste Situation bewältigen zu können. Und es gäbe jede Menge Antworten auf unsere kleinen spitzfindigen Fragen, die uns wichtig sind und unseren Schuh drücken.

Ich habe da auch eine Frage:

«Wenn du deinen Nachbarn ansiehst, der zu deiner Linken oder zu deiner Rechten, von mir aus auch der vor dir oder der hinter dir. Weißt du von ihm etwas, das ihm Freude machen würde? Weißt du von einer Sache, die ihm helfen würde? Und, was noch viel wichtiger ist, wärst du in der Lage, ihm eine Freude zu machen oder ihm zu helfen, vielleicht sogar beides?»

So stelle ich mir das Reich Gottes vor. Bevor ich selbst es weiß, kommt eine helfende Hand, ein tröstendes Wort oder eine liebevolle Umarmung. Wenn es Unstimmigkeiten gibt sucht jeder nach einer Lösung, keiner neidet dem anderen etwas, weil er weiß dass jeder von Gott beschenkt ist, also auch ich und du, ohne Ausnahme. Die Zweifel unterliegen der Zuversicht und alle sind sich näher als sie sich fern sind, auch wenn jeder seine ganz eigenen individuellen Macken hat.


Es gibt ein ganz einfaches, für jedermann sichtbares und erkennbares Merkmal an dem wir erkennen, ob unsere Ansichten zum Thema Glauben noch in Gottes Sinne sind. Wenn der Individualismus dem Egoismus weicht, geht es nicht mehr um eine Glaubensauslegung. Wenn mir selbst meine Unterhaltung zum Gottesdienst wichtiger ist, als meine Bereitschaft ihn mit zu gestalten, wenn mir erst meine Interessen und meine Meinung wichtig sind und dann die des Anderen, hat das nichts mehr mit: “die Gemeinde passt nicht so gut zu mir” zu tun, dass klingt nicht nur egoistisch, dass ist es auch, weil der Blick in den Spiegel geht und nicht zum Nächsten.

Was Gott will sind unverbogene freie Menschen, die für einander da sind. Denn nur wenn sie für einander da sind, können sie auch voll und ganz für Gott da sein. Und ER will die Gemeinschaft mit uns Menschen. Dafür hat ER uns den Weg bereitet, durch Jesus seinen Sohn.

«Weil Gott wollte, dass viele Kinder Gottes in sein herrliches Reich aufgenommen werden, hat er den, der sie zur Rettung führen sollte, durch Leiden zur Vollendung gebracht. Das war der angemessene Weg für Gott, der Ursprung und das Ziel von allem.” Hebr. 2, 10»

Und bei aller Erbsenzählerei, das sollten wir nicht vergessen. Ganz im Gegenteil, das ist mit Verlaub die Gute Nachricht und wir sind die Boten, die sie allen überbringen dürfen. Je individueller wir das tun, desto glaubwürdiger sind wir. Wir haben keinen Grund uns zu verstellen, aber wir haben jeden Grund wahrhaftig zu sein, also ehrlich und der Wahrheit verpflichtet.


Das ist ja auch schon mal eine Erkenntnis, das Individualismus nicht Egoismus ist. Aus einem übertrieben gepflegten Individualismus kann freilich Egoismus werden. Wer aber aufpasst, dass er sich nicht zu viel um die eigene Achse dreht, der braucht sich darüber auch keine Gedanken zu machen. Es ist also ab und zu angebracht sich selbst zu fragen, ob man dem Anderen auf den Geist geht oder die Beziehungen noch im grünen Bereich rangieren. Ja das ist manchmal schon mühsam, weil natürlich die Menschen sich super darüber freuen, wenn einer nicht gleich NEIN sagt und einen wegschickt und sich zumindest anhört, was der andere auf dem Herzen hat. Und sicher werden wir viele Dinge machen die sich nicht “lohnen”, die sich nicht “rechnen” und keinen “benefit” haben. Womöglich dürfen wir uns auch noch anhören, dass es nicht gut genug war oder zu wenig, was auch immer. Naja, so ist das halt.

Aber Gott schenkt uns jeden Tag 24h wertvolle Zeit, wenn wir diese für andere Menschen opfern, ist das nie umsonst, auch wenn unser Ego darunter leidet. Wenn wir den ganzen Tag vorm Spiegel stehen und unser Haar streicheln, dann ist das vertane Zeit. Nutzlos und verschenkt.

Wenn das Opfer für mich zur Prämisse wird, wie wichtig ist es dann ob eine christliche Gemeinschaft zu mir “passt”? Warum sitzen wir eigentlich alle hier, wieso haben wir uns gerade hier an diesen Ort verlaufen? War es Zufall? Wurdet ihr etwa gezwungen oder vielleicht bestochen? Hat Gott etwas damit zu tun? Und wenn ja, was hat ER sich dabei gedacht? Hatte er womöglich etwas Besonderes im Sinn, dass ER uns hier zusammengeführt hat?

Wenn es so ist, das Gott die Menschen an bestimmte Stellen setzt, dann bezweckt er wohl auch etwas damit.


Nun kann ich versuchen heraus zu finden was das sein könnte und im “Gehorsam” meine Aufgabe annehmen, ich könnte aber auch mal gucken was so geht, und wenn's mir dann nicht gefällt guck ich halt mal wo anderes. Ein Orchester klingt nur dann gut, wenn jeder seinen Platz und seine Aufgabe kennt. Der Dirigent gibt den Takt vor, die Noten sollte jeder kennen. Sind die Musiker zu egoistisch entsteht leicht eine Orff'che Geräuschsammlung. Aus dem Jazz wissen wir, dass auch stark ausgeprägte individuelle Musiker richtig gute Musik machen können, weil sie sich immer wieder bei ihrem Thema treffen.

Um es noch etwas griffiger zu machen, weil ja bald Mittag ist. Ein Essen mit ein paar unterschiedlichen Gewürzen, genau in der richtigen Menge und gut abgeschmeckt, das ist lecker und bei dem Gedanken läuft uns schon das Wasser im Mund zusammen. Wer wollte das vermissen. Aber schon das kleinste zu Viel, kann den ganzen Braten verderben und wir schauen traurig den Resten nach, wie sie im Abfall verschwinden. Daher bringen Unterschiede, die individuelle Note Abwechslung und Lebendigkeit in unser Leben. Es wird dadurch bereichert und gewinnt an Würze, wenn ich diesen Vergleich benutzen darf.

Wir dürfen also eine eigene Färbung unseres Glaubens haben, in der Ausprägung sind wir frei, im Grundsatz sind wir eins in Jesus Christus. Dieser Grundsatz ist es der alle Christen auf der ganzen Welt verbindet und der die Richtung vorgibt, wer also von diesem Grundsatz abweicht, der entfernt sich von dem was uns eint. Egoismus, das Motto: “Heisa hopsa was kostet die Welt, ich bastel mir den Glauben wie er mir gefällt”, eigenen sich hervorragend dazu sich verführen zu lassen vom “gemeinsamen” Weg abzukommen. Dieser Grundsatz ist so einfach wie wirkungsvoll und eine Aufforderung für jeden Tag: wende deinen Blick vom Spiegel weg, hin zu den Menschen die dich brauchen!

Amen

Zusätze
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